Vier Wochen hat NHL-Stürmer Nico Sturm bei seinem WM-Debüt gebraucht, um neben Kapitän Moritz Müller zum Anführer im Eishockey-Nationalteam zu werden. Der Augsburger geht in Tampere mit Leistung und Einsatz voran, setzt die Maßgaben von Bundestrainer Harold Kreis wie kaum ein Zweiter um und hält sich auch verbal nicht zurück.
Nach dem mühsamen 4:2 (2:1, 1:0, 1:1) gegen Österreich warf der Angreifer der San Jose Sharks einigen Mitspielern vor, «zu viele Faxen an der blauen Linie» zu machen.
Bundestrainer Kreis: «Spielt unser Spiel»
Wen Sturm damit wohl in erster Linie meinte, war unschwer zu erraten. Während Sturm mit seinen Nebenleuten Samuel Soramies (Augsburg) und Alexander Ehl (Düsseldorf) bislang überzeugt, enttäuscht die erste Sturmreihe – der vermeintliche Paradeangriff – bei der Weltmeisterschaft in Finnland und Lettland meist. Die Auftritte des früheren NHL-Stürmers Dominik Kahun (Bern), des mehrmaligen DEL-Spieler des Jahres Marcel Noebels (Berlin) und NHL-Talent JJ Peterka zeichnen sich durch fehlenden Zug zum Tor und viel zu kompliziertes Spiel aus. Von Kreis gab es am Freitag gleich zwei deutliche Zeichen.
Erst ließ der Bundestrainer den Spieler mit dem größten Potenzial aus dieser Reihe – Peterka von den Buffalo Sabres – im letzten Drittel auf der Bank und machte danach eine für ihn deutliche Ansage. «Spielt unser Spiel», habe der 64-Jährige seiner ersten Formation immer wieder gesagt, berichtete er.
Andere Reihen setzen dieses Spiel deutlich besser um. Nicht erst am Freitag glänzte etwa die nominell vierte Reihe, die beim Turnier immer mehr Eiszeit bekommt. Wojciech Stachowiak vom Vizemeister Ingolstadt, der eine überzeugende WM-Premiere erlebt, wurde am Freitag zum besten deutschen Spieler ausgezeichnet. «Es ist die größte Erfahrung, die ich in meiner Eishockey-Karriere bislang hatte», sagte der 23-Jährige, der genau wie Nebenmann Parker Tuomie von den Straubing Tigers gegen Österreich einmal traf. «Wir halten das Spiel einfach. Heute war unser Spiel», sagte Tuomie über seine Reihe und untertrieb damit fast. Schon das gesamte Turnier über ist seine Formation für die Aha-Momente im deutschen Angriff zuständig.
Fokussierter Sturm ein Vorbild für alle im Team
«Die machen einen überragenden Job. Sie haben mir von Anfang gut gefallen», lobte auch Kapitän Müller seine Mitspieler Stachowiak, Tuomie und Justin Schütz vom Meister EHC Red Bull München. «Das sind Spielertypen, die man nur mögen kann.»
Dies gilt insbesondere auch für Sturm, der für viele Mitspieler ein großes Vorbild und mit drei Toren aktuell auch bester deutscher WM-Torschütze ist. «Nico ist absolut professionell in der Vorbereitung, im Kraftraum», lobte Kreis. «Er sagt ja selber, dass er sich in der NHL behauptet aufgrund seiner harten Arbeit, aufgrund seiner Fitness. Wir sehen es in den Besprechungen, wie fokussiert er ist in der Vorbereitung. Er ist wirklich ein Vorbild für alle bei uns in der Mannschaft.»
Der Augsburger war nie der Talentierteste, ist inzwischen aber Stanley-Cup-Sieger. Im vergangenen Jahr gewann er mit Colorado die Meisterschaft. Der sehr reflektierte 27-Jährige realisierte früh, dass er sich mit bestimmten Fähigkeiten in der besten Liga der Welt halten kann. Dazu zählen sein überragendes Bullyspiel, seine Physis und vor allem etwas, worauf alle Nordamerikaner stehen: Einfaches, geradliniges Spiel und Zug zum Tor – dorthin, wo es auch mal wehtut.
Sturm: «Es wird ein brutal hartes Spiel»
Von seiner ersten Reihe sieht Kreis das bei der WM bislang kaum. Gut möglich, dass der Bundestrainer die Sturmreihen für die Pflichtaufgabe gegen Ungarn am Sonntag (15.20 Uhr/Sport1 und MagentaSport) umstellt. «Wir müssen schauen, wie die Mannschaft jetzt ist. Wir werden schauen, ob wir Veränderungen machen können», meinte Kreis vielsagend.
Auf seine überzeugendsten Sturmformationen dürfte er sich dabei verlassen können. «Das wird eine unangenehme Sache», warnte Sturm vor dem scheinbar schwächsten Gruppengegner und Tuomie meinte: «Es wird ein brutal hartes Spiel.» Von Sturm gab es zuvor noch eine weitere klare Ansage an einige Mitspieler. Man tue gut daran, zu realisieren, dass auch die restlichen Aufgaben schwer werden. Für den Erfolg brauche es «einfaches Eishockey».