Kein NHL-Spieler, kein Torjäger, keiner der Top-Talente im deutschen Team – der unauffällig solide Moritz Müller ist für Eishockey-Bundestrainer Toni Söderholm bei der WM in Riga wieder der wichtigste Mann.
«Spiel einmal mit ihm in einer Mannschaft und du weißt, warum», sagte Söderholm der Deutschen Presse-Agentur schon vor dem Turnierstart. Dass der 34 Jahre alte Verteidiger der Kölner Haie auch bei Söderholms zweiter WM als Bundestrainer sein Kapitän sein würde, stand für den Finnen außer Frage.
«Er setzt sich zu 1000 Prozent in jedem Training und Spiel ein. Er opfert seinen Körper, er opfert seinen Kopf für die Mannschaft», war nur ein Teil von Söderholms Eloge auf den Schwiegersohn des früheren Fußball-Profis und -Managers Thomas Eichin.
Müller gehört seit vielen Jahren zum Führungskreis des Nationalteams, war seit 2013 bei jeder WM dabei und auch Teil des Olympia-Teams, das 2018 sensationell Silber gewann. Dennoch verwunderte die Selbstverständlichkeit, mit der Söderholm auf Müller als Kapitän setzt. In Korbinian Holzer (33) steht immerhin ein langjähriger NHL-Profi und als Spieler höher eingeschätzter Akteur im Kader. Auch der zweimalige Stanley-Cup-Sieger Tom Kühnhackl (29) oder der zum besten DEL-Spieler gekürte Marcel Noebels (29) vom Meister Eisbären Berlin böten sich an.
Müller ist bereits seit rund 15 Jahren unverzichtbarer Teil der Haie in Köln, die schon lange nicht mehr zur sportlichen Spitze der Deutschen Eishockey Liga (DEL) gehören. Auch dort spielt der Abwehrspieler zumeist unauffällig. Doch Müllers Wirken auf dem Eis ist nur ein Aspekt. Das Gesamtpaket des aktuell ältesten deutschen WM-Spielers beeindruckte schon Söderholms Vorgänger Marco Sturm und Pat Cortina.
«Er ist ein absoluter Top-Führungsspieler. Er übernimmt Verantwortung dafür, dass sich alle Spieler wohlfühlen. Er übernimmt Verantwortung dafür, dass die Spieler alle unsere Werte kennen und sie widerspiegeln. Er sorgt dafür, dass sich jeder Mitspieler als Teil der Mannschaft fühlt», lobte Söderholm weiter.
Vor allem bei dieser WM in Riga, die inmitten der Coronavirus-Pandemie unter ungewöhnlichen Umständen stattfindet, fühlt sich Müller noch geforderter als sonst. «Das ist so. Ich spüre, dass das eine wichtige Aufgabe ist», sagte Müller vor dem WM-Start und forderte ein besonderes Wir-Gefühl, ähnlich wie bei Olympia 2018: «Wir müssen den Team-Spirit fast schon übertreiben.»
Auffallend häufig betonten die deutschen Spieler nach den Auftaktsiegen den hervorragenden Mannschaftsgeist, für den sich Müller verantwortlich fühlt. Der Familienvater weiß: Nur so lässt sich Lagerkoller am besten verhindern. Denn die meiste Zeit hocken die Spieler außerhalb des Eises auf ihren Hotelzimmern. Wegen der strengen Corona-Regeln ist an einen Kaffee in der schönen Altstadt Rigas oder gar einen Spaziergang nicht zu denken.
«Man kann auf das Drumherum ganz viel Augenmerk legen. Das ist schon so», sagte Müller zu den Umständen. «Wir müssen schauen, dass wir das Bestmögliche aus der Situation rausholen.»
Das taten Müller und das deutsche Team bislang. Auch auf dem Eis. Beim 9:4 zum WM-Start gegen Italien schoss Müller sogar ein Tor. Das war ihm zuletzt bei der WM 2009 unter Uwe Krupp gelungen. Da war sein aktueller Teamkollege Frederik Tiffels gerade einmal junger Teenager. Zwölf Jahre später ist auch er beeindruckt. «Mo ist ein brutaler Leader. Er gibt immer 100 Prozent. Er sieht immer mehr und hat das große Ganze im Blick», sagte Tiffels und schloss: «Auch sonst mag ich den Mo ganz gerne.»