Nach drei unglücklichen Niederlagen zum Auftakt der Eishockey-WM in Finnland und Lettland steht Deutschland extrem unter Druck. Schon am Donnerstag (19.20 Uhr/Sport1 und MagentaSport) gegen Dänemark steht ein Alles-oder-nichts-Spiel an. Aus der NHL könnte es Verstärkung von zwei Weltklassespielern geben.
Hat Deutschland überhaupt noch eine Chance aufs Viertelfinale?
Ja. Noch stehen vier Vorrundenspiele an. Nach dem wichtigen Duell mit Dänemark folgen die Partien gegen die schwächeren Teams Österreich (Freitag), Ungarn (Sonntag) und Frankreich (Dienstag). Nach den Niederlagen gegen Schweden (0:1), Finnland (3:4) und die USA (2:3) muss die Auswahl des Deutschen Eishockey-Bundes aber wohl alle gewinnen. «Ich glaube trotzdem, dass es sehr interessant bleibt für uns», sagte NHL-Verteidiger Moritz Seider von den Detroit Red Wings. «Man darf uns immer noch nicht abschreiben.»
Wie ist die Stimmung im deutschen Team?
Geteilt. Laut Bundestrainer Harold Kreis ist die Mannschaft «auch sehr selbstkritisch». Vor allem Stanley-Cup-Sieger Nico Sturm von den San Jose Sharks wirkte nach den Spielen bislang gefrustet und sprach Defizite deutlich an. «Ich glaube, die dritten Drittel waren immer unsere schwächsten Drittel. Da sind wir irgendwie von unserem Gameplan weggekommen», monierte der NHL-Stürmer etwa. Die meisten anderen Spieler hoben hervor, gegen die Top-Teams mindestens auf Augenhöhe gespielt zu haben und äußerten sich positiv. «Schon das Finnland-Spiel hat gezeigt, dass wir mithalten können. Jetzt waren wir deutlich die bessere Mannschaft. Wer mir irgendwas anderes erzählt, soll mir das erst mal zeigen», sagte Seider etwa nach dem USA-Spiel.
Wie reagiert der Trainer?
Für Kreis ist es die erste WM als Chefcoach. Der 64 Jahre alte langjährige Nationalspieler und DEL-Coach verfügt über viel Erfahrung und wirkt sehr gelassen. Kreis überlässt im Training und beim Coaching viel seinen jüngeren Assistenten Alexander Sulzer und Pekka Kangasalusta. Am Dienstag gab Kreis seinem Team trainingsfrei. «Die beiden spielfreien Tage tun jetzt sicher gut. Da können wir uns nicht nur physisch, sondern auch gedanklich erholen», sagte Kreis, der sich im Falle des Vorrunden-Ausscheidens auch kritische Fragen gefallen lassen müsste. In Daniel Schmölz, Dominik Bokk und Maximilian Kammerer verzichtete Kreis freiwillig auf drei der vier besten deutschen Torjäger der abgelaufenen DEL-Saison. Und bislang tut sich sein Team schwer mit dem Toreschießen.
Kommen Stürmer Leon Draisaitl und Torhüter Philipp Grubauer nun zur WM nach Finnland?
Das ist noch unklar. Für beide stehen nach dem NHL-Playoff-Aus von Draisaitls Edmonton Oilers am Sonntag und Grubauers Seattle Kraken am Montag Abschlussgespräche an. Gerade Draisaitl, der als einer der drei besten Stürmer der Welt gilt, ist frustriert. Aus Edmonton und aus Seattle ist die Anreise nach Tampere auch alles andere als unkompliziert. Draisaitl könnte im Optimalfall wenige Stunden vor dem Dänemark-Spiel in Finnland landen. Wahrscheinlicher ist in beiden Fällen eine Ankunft frühestens zum Spiel gegen Österreich am Freitag. Theoretisch könnte die Chance aufs Viertelfinale dann schon dahin sein.
Was muss besser werden?
Deutschland agiert trotz einer guten kompakten Gesamtleistung vor dem Tor zu umständlich. «Auch im Powerplay spielen wir zu viel außen rum», motzte Sturm. Gerade in Überzahl ist zu wenig Verkehr vor dem Tor, um dem gegnerischen Torhüter die Sicht zu nehmen. «Wenn ich was kritisieren könnte, wäre es das», sagte Kapitän Moritz Müller.
Was klappt gut bislang?
Deutschland spielt gut organisiert und kompakt. Die Defensive um den starken Seider und die AHL-Verteidiger Kai Wissmann und Leon Gawanke steht sicher und ist wichtig für den Spielaufbau. Torhüter Mathias Niederberger ist ein sicherer Rückhalt und auch die vierte Sturmreihe mit den WM-Debütanten Parker Tuomie, Justin Schütz und Wojciech Stachowiak überrascht bislang positiv.
Auf wen oder was kommt es jetzt an?
Interessant wird, ob das Team in den kommenden Spielen eine andere Herangehensweise schafft. Anders als gegen die Top-Nationen wird Deutschland das Spiel nun selbst gestalten müssen. Von Spielern wie Marcel Noebels von den Eisbären Berlin kommt noch zu wenig. Auch die Münchner Meisterspieler Frederik Tiffels und Maximilian Kastner müssen sich offensiv steigern.