Kein Jubel, hängende Köpfe, schlechte Stimmung: Trotz des Pflichtsiegs gegen das künstliche Nationalteam Chinas haben Deutschlands Eishockey-Männer bei den Olympischen Winterspielen noch viel Arbeit vor sich.
«Die Mannschaft hat nicht ganz das Spiel geliefert, das wir uns vorgenommen haben», kritisierte Bundestrainer Toni Söderholm nach dem 3:2-Zittersieg (2:0, 1:1, 0:1) gegen Kunlun Red Star, das in Peking als Nationalteam Chinas aufläuft. «Morgen wird viel mehr verlangt», sagte Söderholm vor dem letzten Vorrundenspiel am Sonntag (14.10 Uhr/ARD und Eurosport) gegen den souveränen Gruppenersten USA.
«Das wird eine riesige Herausforderung. Da müssen wir auf jeden Fall, zwei, drei Schritte drauflegen», warnte auch Routinier Korbinian Holzer, nachdem der Olympia-Zweite von 2018 zuvor nur knapp einer riesigen Blamage entgangen war. Von den eigenen Ansprüchen und der erhofften Medaillenform ist das deutsche Team, das sich angesichts des erneuten Fehlens der NHL-Spieler in Peking sogar Gold-Hoffnungen gemacht hatte, einen großen Schritt weg.
Der Kapitän schimpft
«Wir haben gedacht, es wird ganz leicht», schimpfte Kapitän Moritz Müller nach «Zeichen von Unkonzentriertheiten» im Spiel gegen den bei Olympia eigentlich kaum konkurrenzfähigen Außenseiter. «Bei allem Respekt vor China, aber die USA morgen hätte uns da mehr bestraft», sagte auch Angreifer Marcel Noebels, nachdem sich das deutsche Team nach Toren von Marcel Brandt (14. Minute), Korbinian Holzer (17.) und Dominik Kahun (25.) das Leben durch unnötige Strafzeiten und zu viele Stockfehler selbst schwer gemacht hatte.
Anstatt des erhofften Schützenfestes wie beim 8:0 der USA gegen den Olympia-Gastgeber begann nach Gegentoren durch Parker Foo (40.) und Taylor Wong (49.) das große Zittern. Unverständlicherweise wurde Deutschland gegen den limitierten abgeschlagenen Letzten aus der osteuropäischen KHL immer nervöser. Um China als Weltranglisten-32. für Olympia wettbewerbsfähiger zu machen, darf das Gastgeberland bei den Winterspielen mit dem eigentlich in Peking beheimateten Clubteam Kunluns antreten. Dafür wurden 13 Kanadier, drei US-Profis und ein Russe eingebürgert. Das Niveau, das das Team, das während der Pandemie in Moskau spielt, bislang zeigt und dem sich auch Deutschland am Samstag teils annäherte, wirkt aber kaum olympia-reif.
«Das ist heute natürlich nicht das, was wir uns gewünscht haben», sagte Noebels nach dem Spiel, das eigentlich das Selbstvertrauen im Hinblick auf die erhoffte Viertelfinal-Qualifikation stärken sollte. Stattdessen wirkten die Spieler nach dem 1:5 zum Auftakt gegen eine C-Auswahl Kanadas und dem Zittersieg nun nachdenklich und ratlos.
Anspruch ist noch da
«Wir wollen zu viel und müssen geradliniger spielen», befand Bundestrainer Söderholm, der noch vor wenigen Tagen davon gesprochen hatte, «sehr optimistisch» sein zu können. Von der WM-Form im vergangenen Jahr mit Platz vier und dem wundersamen Olympia-Turnier 2018 in Pyeongchang mit der Silbermedaille am Ende, ist aber kaum etwas zu sehen. Söderholm deutete nun an, die Reihen umstellen zu wollen. Zudem erwartet der 43 Jahre alte Finne gegen das talentierte US-Team, das wegen des Fehlens der NHL-Spieler zum Großteil aus Collegespielern besteht, ein einfacheres Spiel für sein Team.
Dessen Anspruch ist trotz der bislang enttäuschenden Leistung noch da. «Sechs Punkte wollen wir haben. Danach schauen wir weiter», sagte Noebels. Allerdings ist die direkte Viertelfinal-Qualifikation durch die herbe Auftaktpleite gegen Kanada nur noch theoretisch machbar. Deutlich wahrscheinlicher ist ein Entscheidungsspiel am Dienstag gegen ein Team aus einer anderen Vorrundengruppe um die Qualifikation für das Viertelfinale am Mittwoch. Ein Vorrunden-Aus ist für keinen Olympia-Teilnehmer möglich. Auch vor vier Jahren in Südkorea war Deutschland holprig gestartet und erst durch ein 2:1 nach Verlängerung gegen die Schweiz ins Viertelfinale eingezogen und später bis ins Finale gekommen. Für einen ähnlichen Turnierverlauf ist aktuell indes einiges an Fantasie notwendig.