Als Rückschritt wollten die deutschen Eishockey-Cracks das Viertelfinal-Aus bei der WM nicht gelten lassen. Die Spieler von Bundestrainer Harold Kreis trösteten sich nach dem 1:3 (0:2, 1:0, 0:1) gegen die Schweiz im tschechischen Ostrava mit der Grundrichtung, die nach WM-Silber im vergangenen Jahr weiter stimmt.
«Weit vorne» sieht Kreis das deutsche Eishockey nach eigenen Angaben. «Wir haben die vergangene Weltmeisterschaft bestätigt», erklärte der 65-Jährige sogar trotz des früheren Ausscheidens. Was seltsam klingt, mag auf den zweiten Blick sogar stimmen. Denn zum einen sind die Top-Teams bei dieser WM zwei Jahre vor Olympia in Mailand deutlich besser mit NHL-Stars bestückt gewesen und zum anderen hätte es gegen den klar favorisierten Erzrivalen aus der Schweiz beinahe wieder zu einem Coup gereicht. Damit hätte sich der Aufstieg in die erweiterte Weltspitze auch wieder bestätigt.
«Bei den Turnieren hängt es auch immer von den Besetzungen ab. Wer kommt, wer kommt nicht?», meinte Kreis, dem im Gegensatz zu seinem Schweizer Kollegen Patrick Fischer die nationale Crème de la Crème aus der weltbesten Liga NHL fehlte. «Wenn ich sehe, dass wir noch Leon, Mo und Stützi reinbringen können», sagte Nico Sturm von den San Jose Sharks zum Fehlen des Weltklasse-Trios Leon Draisaitl, Moritz Seider und Tim Stützle.
Aus gegen ein Top-Team
Die Schweiz hingegen hatte in Ostrava in Power-Verteidiger Roman Josi (Nashville) oder Kevin Fiala (Los Angeles) ihre Weltklasseakteure im Kader. «Wir haben uns gegen eine Top-Nation mit allen Top-Spielern einen harten Kampf geliefert», betonte Stürmer JJ Peterka (Buffalo). In der Tat war die Auswahl des Deutschen Eishockey-Bundes wieder an den Top-Nationen dran. «Ich glaube, wir brauchen uns vor keinem zu verstecken», sagte Sturm.
Auf Augenhöhe mit Schweden, Kanada und Co. ist der Vizeweltmeister von 2023 aber noch nicht. Das zeigte sich insbesondere bei den 1:6-Klatschen in der Vorrunde gegen die USA und Schweden. Da machte sich vor allem das Fehlen von Seider sehr bemerkbar. Ohne den 23-Jährigen ist die deutsche Defensive im Turnier viel zu anfällig gewesen. Auch der WM-Ausfall von Mannheims Leon Gawanke tat weh. «Ich will die Jungs, die hier waren, nicht unter Wert verkaufen», entgegnete NHL-Profi Sturm. «Sie haben das sehr, sehr gut gemacht.»
Zwar konnte das Berliner Abwehr-Duo Kai Wissmann und Jonas Müller überzeugen. Der Neu-Mannheimer Lukas Kälble zeigte ein gutes Niveau und auch Nordamerika-Profi Maskymilian Szuber wird sich mit seinen 21 Jahren noch zu einem guten Abwehrspieler entwickeln. Doch im Vergleich zum WM-Coup von 2023 fehlte die spielbestimmende Figur in der deutschen Abwehr. Seider ist für die DEB-Auswahl nicht zu ersetzen.
Ordentlich Offensivpower
Auch deshalb spielt die deutsche Mannschaft am Wochenende in Prag nicht um die Medaillen mit. «Es gibt kein Abo für das Viertelfinale, das Halbfinale, das Finale», sagte Kreis. Dennoch zeigte seine Mannschaft im Turnierverlauf eine neue Realität. Gegen Lettland (8:1), Kasachstan (8:2) oder auch Frankreich (6:3) besitzt das deutsche Team auch ohne die Superstars mittlerweile die spielerischen Mittel, schwächere Gegner auseinanderzunehmen. In der Vergangenheit waren diese Duelle meist äußerst eng, auch eine Niederlage war keine Seltenheit. «Es ist harte Arbeit», erklärte der Coach, lobte aber: «Von der Spielweise und der Mentalität haben wir daher einen Fortschritt gemacht.»
Findet auch Sturm. Zu Turnierbeginn hatte das Team noch Schwierigkeiten, den Druck nach der Vize-Weltmeisterschaft richtig einzuordnen. «Wir haben gelernt, mit der größeren Verantwortung und höheren Erwartungen, die wir auch an uns selbst haben, umzugehen und damit zu spielen», sagte der Leistungsträger und erklärte: «Es ist kein Prozess, der von einem Jahr auf das andere abgeschlossen ist. Der Prozess wird lange andauern. Trotzdem glaube ich, dass wir uns sehr gut verkauft haben.»
Dazu werden in den nächsten Jahren auch die weiteren Hoffnungsträger reifen. Peterka bestätigte mit fünf Toren und vier Vorlagen nicht nur seine gute WM 2023, sondern auch seine starke NHL-Spielzeit bei den Buffalo Sabres. Mit 22 Jahren steht der frühere Münchner erst am Anfang, nicht wenige Experten rechnen auch beim Angreifer in den kommenden Jahren mit dem Sprung in die Weltspitze. «Das sind jetzt meine Ansprüche. Ich will ein Spieler sein, der den Unterschied ausmacht», sagte Peterka.