Historisch wird die nahende Titel-Entscheidung in der Deutschen Eishockey Liga in jedem Fall. Immerhin wird am Mittwoch, spätestens aber am Freitag (jeweils 19.30 Uhr/MagentaSport und Sport1), zum 100. Mal ein deutscher Meister ermittelt.
Sollten die Grizzlys Wolfsburg am Mittwoch auch das zweite Playoff-Finale dieser besonderen Corona-Saison gegen die Eisbären Berlin und damit auch zum ersten Mal den Titel gewinnen, wäre dies gleich in vielfacher Hinsicht bemerkenswert.
«Der letzte Schritt ist der größte. Wir wollen ihn gemeinsam gehen», bekräftigte Wolfsburgs langjähriger Sportchef Charly Fliegauf, der schon dreimal mit den Grizzlys in einer Finalserie stand und dreimal scheiterte. Auch auf das übliche Geplänkel versteht sich der gewiefte 60-Jährige. «Die Berliner müssen, wir wollen gewinnen. Das ist der Unterschied», sagte Fliegauf am Dienstag.
Ganz falsch liegt er damit freilich nicht. Denn die Grizzlys wären die größte Meister-Überraschung seit dem ERC Ingolstadt, der 2014 als Vorrunden-Neunter den Titel gewann. Die Grizzlys waren nach Punkten in der in diesem Jahr in zwei Gruppen unterteilten Vorrunde ligaweit nur das sechstbeste Team. Mit 58 Zählern wurden sie in der schwächer eingeschätzten Nord-Gruppe Dritter, mit einem Abstand von stolzen 18 Punkten auf den Gruppenersten aus Berlin. Allerdings gewann das Team von Ex-Bundestrainer Pat Cortina alle bisherigen Saisonspiele gegen die favorisierten Eisbären, denen immerhin der achte Titel winkt.
Den könnten sie freilich erst am Freitag erreichen. Zuvor müssten sie mit einem Sieg am Mittwoch zwingend erst einmal die Finalserie ausgleichen. Erprobt ist das Team um den Olympia-Silbergewinner Marcel Noebels, gerade erst zum besten Spieler der Saison gekürt, darin allemal. «Wir werden uns mit alle Mann dagegen stemmen», sagte Noebels am Dienstag. «Es ist noch lange nicht vorbei.»
Sowohl im Viertelfinale gegen Iserlohn als auch im Halbfinale gegen Ingolstadt standen die Berliner nach einer Auftaktpleite in den kurzen Playoff-Serien mit dem Rücken zur Wand und kamen doch noch weiter. «Jede Saison schreibt neue Geschichten. Unsere scheint sich diesmal darum zu drehen, zurückzuschlagen», sagte Eisbären-Coach Serge Aubin, der von seinen Spielern Lockerheit fordert: «Ich will die Jungs mit einem Lächeln im Gesicht sehen. Es gibt nichts zu verlieren, absolut gar nichts.» Das gilt für Wolfsburg umso mehr. «Wir haben eine gefestigte, eingeschworene Truppe, die alles erreichen will», sagte Fliegauf.
Bemerkenswert wäre der Titel vor allem für den Grizzly-Coach. Cortina galt nach seinem krachenden Scheitern als Bundestrainer 2015 nicht als ein künftiger Meistercoach in der DEL. Auch Fliegauf war damals als General Manager des Nationalteams maßgeblich an den Entscheidung beteiligt, den Vertrag mit Cortina nicht zu verlängern. Dennoch lernte er den Italo-Kanadier für seine unaufgeregte Art und seinen menschlichen Umgang schätzen und holte ihn vier Jahre später nach Wolfsburg.
Nach einer Krise vor wenigen Wochen bekam der 56-Jährige genau zur richtigen Zeit wieder die Kurve mit den Grizzlys und profitierte in den Playoffs auch vom ungewöhnlichen Format der stark verkürzten Saison. Statt vier sind in diesen Playoffs nur zwei Siege zur Meisterschaft notwendig. Für Cortina wäre der Sieg am Mittwoch ein ganz besonderes Triumph, nachdem er 2013 noch als der erste und bislang einzige Bundestrainer in die Geschichtsbücher einging, der ein Scheitern in einer Olympia-Qualifikation zu verantworten hatte.