Eishockey-Bundestrainer Toni Söderholm dürfte beim Aufstehen noch etwas gequälter ausgeschaut haben als nach dem letzten WM-Test.
Zwar gelang in Nürnberg gegen Belarus beim 2:0 (1:0, 0:0, 1:0) endlich im sechsten Vorbereitungsspiel das dringend benötigte erste Erfolgserlebnis. Doch die Sorgen bei Söderholm sind nach wie vor groß. «Natürlich gibt es noch viel, was wir verbessern müssen», sagte der 43-Jährige und verkündete dann eine weitere Hiobsbotschaft: «Bei Tim sieht es so aus, dass er uns nicht zur Verfügung steht.»
Gemeint war Tim Stützle, der als Neuling gerade die nordamerikanische Profiliga NHL aufmischt. Nachdem Söderholm die WM-Absage des 19 Jahre alten Top-Talents verkündet hatte, schoss Stützle seine Ottawa Senators am Abend (Ortszeit) mit seinem ersten NHL-Dreierpack zum 4:2 gegen die Winnipeg Jets. «Das war einfach großartig», schwärmte Ottawas Coach D.J. Smith, verbot seinem Juwel aber offenbar den Trip zur WM nach Riga (21. Mai bis 6. Juni).
Stützle, dem wohl eine ebenso große NHL-Karriere bevorsteht wie Weltklasse-Stürmer Leon Draisaitl – der wegen der Playoff-Ambitionen der Edmonton Oilers ebenfalls nicht zur WM kommen kann -, gehört zu den fünf besten Neulingen («Rookies») der NHL. Ottawa, das die Playoffs fast sicher verpassen wird, will Stützle im Sommer keinem Risiko aussetzen und ihn weiter für seine vielversprechende Zukunft aufbauen. «Das müssen wir respektieren», sagte Söderholm verkniffen.
Noch vor einigen Tagen hatte er fest mit Stützles WM-Teilnahme gerechnet. Wie gut ihn die Auswahl des Deutschen Eishockey-Bundes gebrauchen könnte, zeigte sich sowohl gegen Belarus als auch einige Stunden später im Spiel der Senators. Während Stützle in der besten Liga der Welt dreimal traf, taten sich seine DEB-Kollegen aus der Deutschen Eishockey Liga mal wieder schwer mit dem Toreschießen. Schon beim 1:4 gegen Belarus am Freitag war dies das Manko gewesen.
«Klar, die Chancenverwertung muss noch besser werden», bekannte Justin Schütz vom EHC Red Bull München, dem immerhin das 2:0 (43. Minute) gelang. Söderholm fahndet nun noch dringend nach Verstärkung für den aktuellen Kader, mit dem es angesichts der bislang gezeigten Leistungen schwer werden dürfte, das WM-Minimalziel Viertelfinale zu erreichen. «Erfahrung ist eine Sache, die wir noch ein bisschen suchen», sagte Söderholm und befand: «Der Kader ist noch nicht ready.» Am Montag wird es den nächsten Cut geben. Dann soll verkündet werden, welche Spieler vom neuen deutschen Meister Eisbären Berlin und eventuell auch vom Vize-Meister Grizzlys Wolfsburg noch kommen.
Ob dies dann für die WM, die am 21. Mai mit dem Spiel gegen Außenseiter Italien beginnt, reicht, wird sich zeigen. Anders als bei den vorherigen WM-Turnieren, als in Draisaitl und Torhüter Philipp Grubauer (Colorado) regelmäßig Weltklasse als Verstärkung eingeflogen wurde, wird es sie diesmal wohl nicht geben. Ganz verzichten auf Verstärkung aus Nordamerika muss das deutsche Team aber nicht. Tobias Rieder (Buffalo/NHL), Marc Michaelis (Vancouver/NHL), Tom Kühnhackl (Bridgeport/AHL) und Leon Gawanke (Manitoba/AHL) sollen noch direkt in die WM-Blase vom 15. Mai an nach Riga folgen.