Es ist nicht so, dass Eishockey-Bundestrainer Toni Söderholm drei Monate vor der Weltmeisterschaft und ein Jahr vor Olympia nichts zu tun hätte. Doch etwas Entscheidendes fehlt nun mal. «Ich vermisse es sehr, an der Bande zu stehen», sagte Söderholm der Deutschen Presse-Agentur.
Eigentlich wäre es in dieser Woche erstmals nach 15 Monaten bei der A-Nationalmannschaft wieder soweit gewesen. Eigentlich. Die Spiele gegen die Schweiz wurden coronabedingt abgesagt – wie so viele Partien zuvor.
«Es ist ganz klar die herausforderndste Zeit für mich als Trainer bislang», sagte Söderholm, der seit der WM 2019 ganze drei Länderspiele für Deutschland coachen durfte. Das war beim Deutschland Cup im November 2019. Die WM 2020 fiel wegen der Pandemie aus, beim Deutschland Cup im vergangenen November war der Bundestrainer selbst an Covid-19 erkrankt. Die Tests gegen die Schweiz wären daher besonders wichtig gewesen. Söderholm weiß nicht so recht, wo sein Team steht. «Ich hätte schon gerne eine Zwischenbilanz gehabt. Das macht die Planung jetzt schwieriger», sagte der 42 Jahre alte Finne.
Bis Ende 2019 sah vieles rosig aus im deutschen Eishockey: Der Gewinn der olympischen Silbermedaille 2018, immer mehr deutsche Talente in der NHL, der Aufstieg von Leon Draisaitl zum aktuell vielleicht weltbesten Spieler – Deutschland hatte sich in der erweiterten Weltspitze etabliert, und Söderholms Team war bei den jährlichen WM-Turnieren drauf und dran, die Medaillenränge ins Visier zunehmen.
Dann kam Corona. Nicht nur Söderholm wurde gebremst: «Ich würde nicht sagen, dass wir wieder bei null anfangen, aber es ist natürlich schon ein Rückschritt in unserer Entwicklung», klagte Söderholm.
Das Problem haben alle Nationen, sollte man meinen. Doch Söderholm widerspricht: «Da gibt es schon Unterschiede. Die Finnen, Schweden, Tschechen und Russen haben im Dezember ihre Turniere gehabt und spielen jetzt auch im Februar. Sie haben also schon mehr Spiele im Vorfeld.»
An seinen Ambitionen ändert dies freilich nichts. Auch bei der Weltmeisterschaft in Riga (21. Mai bis 6. Juni) heißt das Minimalziel Viertelfinale. «Die ändern sich ganz sicher nicht», sagte Söderholm zu seinen Zielen. «Ich werde dieselben Anforderungen an die Spieler haben.» Der Haken dabei ist nur, dass der Deutsche Eishockey-Bund bislang nicht weiß, wie die Vorbereitung aussieht.
Mehr als der WM-Spielplan ist nicht klar. Ob die WM in einer Blase stattfindet ist ebenso ungeklärt wie die Frage, wie viele Vorbereitungsspiele möglich sein werden und ob diese auch schon in einer Blase in Lettland vor der eigentlichen WM ausgetragen werden.
Hinzu kommt, dass Söderholms wichtigster DEB-Mitarbeiter seit zwei Monaten nicht mehr da ist. Nach internen Querelen wurde der Vertrag mit Sportdirektor Stefan Schaidnagel aufgelöst. Gerüchten, er habe sich mit Schaidnagel überworfen, widerspricht DEB-Präsident Franz Reindl bislang vehement. Außer Andeutungen, Schaidnagel sei nicht immer einfach im Umgang gewesen, äußert sich niemand. Es wird auf eine Verschwiegenheitsklausel im Auflösungsvertrag verwiesen.
Die Causa hat mehrere Haken. So forsch und fordernd Schaidnagel auch gewesen sein mag: Der 39-Jährige war mit seinem Ehrgeiz und seinen sportlichen Reformen maßgeblich am Aufschwung beteiligt. Zudem galt er als künftiger starker Mann beim DEB für einen möglichen Abgang von Reindl im Herbst zum Weltverband. Dort könnte Reindl Präsident werden. Wie die Zeit danach aussehen könnte, ist noch unklar.
Im Frühjahr 2022 stehen die nächsten Präsidiumswahlen an. Bis dahin dürfte sich der DEB durchwurschteln. Die Arbeit von Schaidnagel hat teilweise der bisherige Frauen-Nationaltrainer Christian Künast übernommen. Den anderen – administrativen – Teil soll bald wieder ein Generalsekretär erledigen, der noch gesucht wird.
Reindl arbeitet zunächst gern mit dem zurückhaltenden Künast zusammen. «Das läuft ja», sagte Reindl der dpa. «Da warten wir diese Saison jetzt mal ab.» Künast würde gerne weitermachen. «Ich habe viele Ideen und Pläne für die Zukunft», sagte der Schwager des früheren Bundestrainers Marco Sturm zuletzt dem «Mannheimer Morgen».