Nach der willkommenen Abwechslung an der Ostsee plant Eishockey-Bundestrainer Toni Söderholm den erneuten und dringend benötigten WM-Coup gegen sein Heimatland.
Am Samstag (19.15 Uhr/Sport) soll der Auswahl ein ähnlicher Erfolg gegen Finnland gelingen wie bei der zuvor letzten WM 2019, als Deutschland den späteren Weltmeister schlug. «Das ist unser Anspruch», sagte Söderholm per Videoschalte in Riga: «Eishockey-Deutschland sollte sich darauf vorbereiten, dass es keine außergewöhnliche Situation ist, dass man Kanada oder eine andere Topnation schlägt. Die Zeit ist nicht weit weg, dass es ein neues Normal ist.»
Gerade die Finnen galten für deutsche Teams lange als unbezwingbar. Söderholm aber hatte gleich bei seiner ersten WM als Coach vor zwei Jahren in der Slowakei ein 4:2 geschafft. Die Zuversicht, dass dieses Meisterstück wiederholt wird, ist mit dem Ausflug in die abwechslungsreiche Natur gewachsen. Söderholm wirkte gelassener als noch nach dem unerwarteten Rückschlag gegen Aufsteiger Kasachstan.
Frische Luft und gutes Essen
«Der Tag gestern hat sicherlich gut getan. Alle haben ein bisschen frische Luft bekommen. Alle konnten die ersten vier Spiele abhaken», berichtete der 43-Jährige: «Wir haben ein bisschen gutes Essen gekriegt – das tut der Seele gut.» Von einem sehr speziellen Gefühl für das Spiel gegen die Finnen wollte er nichts wissen. Es sei nicht mehr so besonders wie 2019, beschwichtigte Söderholm. «Klar ist es ein bisschen anders», meinte er zwar: «Aber es ist nicht größer.»
Traditionell liegt die Spielweise der Finnen den Deutschen eher nicht. Dass Söderholn und sein Trainerteam den Stil besonders gut kennen, könnte ein entscheidender Faktor werden. «Ich glaube schon, dass uns die Spielweise von Finnland passt», sagte der Coach, der im fünften Spiel auch wegen des wahrscheinlichen Ausfalls von Lukas Reichel erstmals anders aufstellen will. Der finnische Einfluss im deutschen Lager ist durch Ex-Weltmeister Ville Peltonen als Assistent sowie den Deutsch-Finnen Ilpo Kauhanen als Torwarttrainer hoch. «Für alle Drei ist es ein besonderes Spiel. Die wollen natürlich unbedingt gewinnen», verriet DEB-Sportdirektor Christian Künast.
Der Druck, punkten zu müssen, ist da. Ein erneuter Erfolg wäre für den angestrebten Einzug ins Viertelfinale ein wichtiger Schritt. Eine weitere Niederlage würde den Druck vor den dann noch ausstehenden ebenfalls schwierigen Partien gegen die USA und Gastgeber Lettland noch erhöhen. Nach dem erfolgreichen Auftakt wird sich zeigen, wie stark die Truppe tatsächlich ist. «Heute war jeder wieder heiß aufs Eis», sagte Stürmer Leo Pföderl nach dem Training am Freitag: «Das wird eine zähe Nummer, aber wir sind auch gut drauf. Wir geben Gas.»
Söderholms rascher Aufstieg
Die Negativserie gegen die Finnen war 2018 in Dänemark nach 25 Jahren noch unter Marco Sturm gebrochen worden. Anfang 2019 war Söderholm dann überraschend Sturms Nachfolger geworden. Er legte damit einen schnellen Aufstieg als Trainer hin. Zuvor war der Finne lediglich Assistent in München und trainierte den Oberligisten SC Riessersee.
Problemlos, einfallsreich und mit seiner ihm eigenen Ruhe trieb der frühere Verteidiger die Entwicklung des deutschen Eishockeys voran und verfestigte den gestiegenen Anspruch. Das kommt bei den Spielern gut an. «Man merkt, dass er sich viele, viele Gedanken macht und dass er viele sehr gute Ansätze noch mal reingebracht hat. Auf den Punkt ist jedes Detail abgeklärt. Es macht Spaß mit ihm», lobte der langjährige NHL-Verteidiger Korbinian Holzer. «Ich glaube schon, dass er sich wirklich noch mal weiter entwickelt hat».
Hohe Ziele bei der WM
Vor zwei Jahren hatte Söderholm die Deutschen bei seinem WM-Debüt ins Viertelfinale und zu Platz sechs geführt, dem besten Abschneiden seit der Heim-WM 2010. Doch das soll diesmal nicht genug sein. Wie der gesamte DEB wittert der 43-Jährige die vielleicht einmalige Chance, die dieses Turnier unter den speziellen Corona-Umständen bietet.
Dass der Anspruch in Deutschland generell gewachsen ist, wird auch in Finnland wahrgenommen. «Das Interesse für die deutschen Spieler ist in den finnischen Medien wegen der Talente viel größer geworden», erklärte Söderholm. Mit einer weiteren erfolgreichen WM dürfte sich Söderholm selbst weiter ins Gespräch bringen – und Begehrlichkeiten wecken. Dass Söderholm dem DEB nach Ablauf seines Vertrags 2022 erhalten bleibt, ist keine Selbstverständlichkeit. «Im Sommer wird es mit Sicherheit die ersten Gespräche geben», kündigte Sportdirektor Künast an: «Wir gehen das mit Ruhe an.»