Der Eishockey-Vizeweltmeister drückt den Resetknopf. «Jetzt fängt das Turnier für uns erst richtig an», sagte Bundestrainer Harold Kreis vor den entscheidenden WM-Vorrundenspielen.
Nach zwei herben 1:6-Klatschen gegen die USA und gegen Schweden ist die Ernüchterung bei der deutschen Nationalmannschaft groß. Gegen Lettland steigt am Mittwoch (16.20 Uhr/ProSieben und MagentaSport) der Druck, sonst ist das Minimalziel Viertelfinale bei der WM in Tschechien in Gefahr. Verlieren sollte Deutschland nicht. «Wir müssen jetzt punkten», forderte Kreis.
Die aktuelle Situation ähnelt zumindest oberflächlich der aus dem vergangenen Jahr. 2023 startete die DEB-Auswahl im finnischen Tampere sogar mit drei Niederlagen. Danach kämpfte sich das Team mit vier Siegen in Serie ins Viertelfinale und scheiterte erst im Endspiel an Rekord-Champion Kanada. Immerhin hat Deutschland aktuell drei Punkte durch das 6:4 zum Auftakt gegen die Slowakei auf dem Konto. «Letztes Jahr haben wir besser gespielt und hatten keinen Punkt. Jetzt spielen wir nicht so gut, haben aber drei Zähler», sagte Kapitän Moritz Müller. «Das Glas ist halb voll, nicht halb leer», ergänzte Kreis.
WM-Silber als «Rucksack»?
Bis zum Lettland-Spiel gibt es dennoch einiges zu tun. «Jeder muss jetzt ehrlich zu sich selbst sein», forderte Routinier Müller. «Wir spielen gehemmt. Wir spielen, als hätten wir etwas zu verlieren.» Die überraschende Vizeweltmeisterschaft mit den daraus resultierenden Erwartungen sieht er mittlerweile als «Rucksack» an. «Wir müssen das Vertrauen in uns selber stärken. Das haben wir die letzten beiden Spiele nicht getan», sagte der 37 Jahre alte Profi der Kölner Haie.
Für einen Mannschaftsabend oder eine teambildende Maßnahme fehlt die Zeit. Noch am Montagabend saß die Truppe gemeinsam mit den Trainern zusammen. «Wir haben ein kurzes Gespräch gehabt. Auch am Dienstag haben wir in kleinen Gruppen gesprochen», erklärte der Coach. Die Stimmung sei «deutlich besser» als nach dem 1:6 gegen Schweden am Montag.
Abwehr ohne NHL-Ass Seider die Schwachstelle
Auffällig bleibt weiterhin die Schwäche in der Abwehr. Mehr als 130 Schüsse hat die Defensive in den drei WM-Partien zugelassen. «Viel zu viel», monierte Moritz Müller. «Wir spielen nicht das Spiel, was wir gegen solche Nationen spielen wollen.» Berlins Jonas Müller ergänzte: «Wir müssen jetzt einfach lernen, härter zu spielen und enger am Mann zu sein.»
Fest steht allerdings auch: Im Vergleich zum Vorjahr fehlt es vor allem in der Abwehr an Qualität. Die Absage von Moritz Seider von den Detroit Red Wings, dem einzigen deutschen Verteidiger auf Weltklasse-Niveau, wiegt extrem schwer. «Natürlich fehlt er», sagte auch Jonas Müller. Seider hätte der wackeligen Hintermannschaft mehr Halt geben können. Ohne den NHL-Profi wurde den Top-Stars der Amerikaner und der Schweden das Tore-Schießen viel zu einfach gemacht. «Es ist ein Thema, was wir hatten. Es ist ein Thema, was wir uns anschauen», sagte Kreis über das Abwehrproblem.
Hoffnungsträger vor den verbleibenden Partien gegen Lettland, Kasachstan, Polen und zum Abschluss gegen Frankreich ist Nico Sturm. Der angeschlagene NHL-Profi der San Jose Sharks wird voraussichtlich gegen den WM-Dritten Lettland in den Kader zurückkehren. Bei den beiden 1:6-Pleiten konnte der 29-Jährige nicht mitwirken und wurde schmerzlich vermisst. «Nico hat gut trainiert am Dienstag», sagte Kreis. «Wir entscheiden am Spieltag, ober er dabei ist oder nicht.» Die Präsenz des Stanley-Cup-Siegers von 2022 auf beiden Seiten des Eises soll der verunsicherten Mannschaft weiterhelfen. «Er tut uns schon gut», sagte Kapitän Müller.